- Veröffentlichungsjahr: 2022
- Entwicklerstudio: Obsidian Entertainment
- Plattform: Windows, Xbox
- Altersfreigabe: FSK 12
- Geeignet für: Ab Klasse 7
- Fachbezug: Deutsch (Literaturunterricht), Geschichte
Kurzzusammenfassung
Didaktischer Kommentar
Kurzzusammenfassung
Games erwecken Bilder zum Leben? Auf kein aktuelles Spiel trifft dieser Satz wohl so sehr zu, wie auf das vieldiskutierte Adventurespiel aus dem Jahr 2022, das mittelalterliche Buchmalerei mit einer spannenden Kriminalgeschichte verbindet – Pentiment.
Pentiment entführt seine Spieler*innen in das mittelalterliche Süddeutschland des Jahres 1518, genauer in die fiktive Stadt Tassing, die sich im Herzogtum Bayern befindet. Dort lernen sie die ländliche Idylle, das einfache Leben mittelalterlicher Kleinstädte und den Protagonisten Andreas Maler kennen, der als Illustrator und Illuminator im örtlichen Kloster arbeitet und sowohl bei der Landbevölkerung als auch dem Klerus bekannt ist. Eines Tages kündigt sich hoher Besuch an, der auch prompt erscheint: Baron Lorenz Rothvogel, ein enger Freund des Fürstbischofs von Freising und langjähriger Wohltäter des Städtchens. Andreas und er geraten eher unfreiwillig ins Gespräch und erste freundschaftliche Bande entwickeln sich, bis der Baron kurz danach tot in der Abtei aufgefunden wird. Die Stadtbewohner*innen verstricken sich in Widersprüche, einige scheinen den Baron nicht gemocht zu haben, doch auch die Mönche und Nonnen sind dem Totem nicht nur wohl gesinnt. Andreas beschließt daraufhin, den Tod des Barons aufzuklären und begibt sich auf die Suche nach handfesten Beweisen, um dem Mörder auf die Schliche zu kommen. Doch bei einem Toten soll es nicht bleiben…
Didaktischer Kommentar
Das Spiel Pentiment eignet sich angesichts seines Spielsettings und -genrespezifischer Gestaltungsstrukturen sowohl für den Einsatz im Geschichts- als auch im Deutsch- bzw. genauer Literaturunterricht der Mittelstufe.
Pentiment orientiert sich an dem klassischen Aufbau gängiger Kriminalgeschichten. Zu Beginn wird Andreas, der Handlungsort Tassing und seine Bewohner*innen eingeführt, bevor ein unerwarteter Mord geschieht, den die Spielenden im Folgenden in drei aufeinander aufbauenden Kapiteln lösen müssen, wobei jedes Kapitel durch einen neuen Mord an prominenten Städter*innen und Adelsvertreter*innen eingeläutet wird. Die narrative Besonderheit von Pentiment liegt jedoch in der Erzählweise der Aufklärungspassagen der Spieler*innen: Ihnen steht für die Recherche nur ein begrenztes Zeitlimit zur Verfügung, da sich das Spiel an Andreas‘ Tagesverlauf orientiert – nach fünf Tagen wird eine offizielle Untersuchung beginnen, bis dahin muss er alle Beweise gesammelt haben. Die zur Verfügung stehende Zeit reicht jedoch nicht aus, um sich mit allen Bewohner*innen, Mönchen und Nonnen zu unterhalten, sodass sich die Spielenden entscheiden müssen, welchen Handlungszweig sie verfolgen, welche Hinweise sie sich dazu denken oder aber fundiert recherchieren und welche Informationen ihnen dadurch auch durch die Lappen gehen. Die getroffenen Entscheidungen der Schüler*innen führen dazu, dass sich die Spielverläufe oftmals voneinander unterscheiden, sodass vollkommen verschiedene Geschichten vor dem Hintergrund der Gespräche mit den Bewohner*innen möglich sind. Noch variantenreicher wird das Spiel durch die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Andreas‘ Gesprächspartner*innen: Je nachdem, wie sich die Spieler*innen in der Rolle des Buchillustrators verhalten, sind ihnen manche Bewohner*innen freundlicher gestimmt, vertraut sich eine eingeschüchterte Nonne einmal mehr dem Protagonisten an oder aber eben auch nicht.
Insbesondere für das Handlungs- und Figurenverstehen der Schüler*innen bietet Pentiment damit vielfältige Anknüpfungspunkte, da stets analysiert werden muss, wie sie sich in der Rolle der literarischen Figur verhalten sollen und daher neben der Perspektivübernahme auch die kausalen Zusammenhänge der Handlung zentral stehen – denn am Ende müssen die Spieler*innen einen Schuldigen benennen – egal, wie viele Informationen sie gesammelt haben. Die unterschiedlichen Entscheidungen und Handlungsverläufe können anschließend als Ausgangspunkt für literarische Anschlusskommunikation genutzt werden, um sich über die entsprechenden Erlebnisse und Gedankengänge hinter Andreas‘ Untersuchungen auszutauschen.
Darüber hinaus bietet Pentiment – wie eingangs erwähnt – auch Anknüpfungspunkte für den Geschichtsunterricht: Das Adventure spielt im Mittelalter des 16. Jahrhunderts und auch wenn der Handlungsort Tassing fiktiv ist, orientiert sich das Spiel an zentralen Strukturen mittelalterlicher Gesellschaften. So finden Spielende in den Dialogen zwischen Andreas und den Stadtbewohner*innen immer wieder Informationen über das Leben von Menschen zu Zeiten des Mittelalters, ihren Lebensbedingungen, Perspektiven, Wünschen und auch ihrem Verhältnis zu Obrigkeit und Klerus. Durch das angesiedelte Kloster, dass auf einem Hügel Tassings liegt, und den immer wiederkehrenden Besuchen des Adels wird das Spannungsfeld unterschiedlicher Bevölkerungsschichten oftmals durch die thematisierten Gesprächsinhalte explizit für Schüler*innen erfahrbar gemacht. Damit bietet Pentiment vielfältige Anschlussstellen, die sich u.a. zur Ausbildung eines Temporal- und Historizitätsbewusstseins im Sinne Pandels nutzen lassen, dabei jedoch weit über das bloße Spielsetting hinaus gehen, denn:
Das größte Potenzial für den Einsatz im Geschichtsunterricht bietet Pentiment durch die Metastruktur des Spiels. Die Ästhetik des Adventures orientiert sich an mittelalterlicher Buchmalerei und verknüpft diese mit einer modernen 2D-Darstellung. So passiert es oftmals, dass Andreas – selbst im Stil der Buchmalerei gehalten – direkt in ein antikes Buch purzelt und dort zwischen Tintenklecksen und bewusst gesetzten Pinselstrichen Informationen über die mittelalterliche Welt und den Mordfall in Tassing erhält.
Die Verbindung zwischen Inhalt und Gestaltung wird jedoch noch deutlicher, sobald die Figuren des Spiels miteinander in Interaktion treten und ihre Erlebnisse in dialogischen Sprechblasen austauschen – denn das Spiel setzt ausschließlich auf eine textbasierte Sprachausgabe. Das Schriftbild der Sprechblasen orientiert sich dabei am Leben der Figuren und macht so u.a. deren Bildungshintergrund direkt erlesbar. So tauschen sich die Mönche untereinander in deutlichsten altdeutschen Lettern aus, während die Handschrift der Landbevölkerung krakelige Buchstaben und zahlreiche Rechtschreibfehler enthält, die mit mal mehr und mal weniger Federkratzen korrigiert werden. Während eben jene Informationen auch für die literarische Perspektivübernahme im Rahmen des Figurenverstehens genutzt werden können, bietet Pentiment damit auch einen metakognitiven Einblick in Bildungsstrukturen mittelalterlicher Gesellschaften und das anthropologische Kulturgut „Buchdruck“ – die auditiven Elemente, wie das Umblättern dicker Pergamentseiten, das Kratzen von Schreibfedern oder das mechanische Klacken von Druckplatten befördern dabei das immersive Spielerlebnis.
Darüber hinaus bietet das Spiel Stützsysteme, um sich im historischen Kontext orientieren zu können. So werden alteritäre Begriffe, die zeitgenössische Formulierungen, Berufe oder Gegenstände aufgreifen, im spieleigenen Glossar zusammengefasst, sodass bei Unklarheiten angesichts des historischen Settings schnell Hilfe gefunden werden kann.
Schulpraktischer Tipp: Das Spiel umfasst drei Kapitel, in denen unterschiedliche Lebensabschnitte von Andreas thematisiert werden und in denen er immer wieder nach Tassing zurückkehrt. Diese umfassen ca. 12 Stunden Spielzeit. Für unterrichtspraktische Zwecke empfehlen wir daher die Verwendung des ersten Kapitels, durch welche alle genannten Lernpotenziale genutzt werden können – lediglich die weitere Detektivarbeit von Andreas und seinem späteren Assistenten sowie Anknüpfungsmöglichkeiten zu den Bauernaufständen gehen den Lernenden dadurch verloren.