• Entwickler: Sam Barlow, Furious Bee
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
  • Plattform: Windows, Play Station, Xbox, Nintendo Switch, iOS, macOS
  • Geeignet für: Sekundarstufe II
  • Fachbezug: Englisch

Kurzzusammenfassung
Didaktischer Kommentar
Kurzzusammenfassung

Eine unbekannte Frau steigt aus einem Wagen und betritt ein Apartment. Sie startet ihren Computer, schließt einen USB-Stick an und kurz darauf öffnet sich ein Fenster. Sie tippt „LOVE“ in die Suchleiste ein und die ersten fünf Videos auf ihrer Suche nach der Wahrheit erscheinen. Doch wie weit darf man gehen, um diese zu ergründen?

 Um diese Fragen dreht sich die, von Entwickler Sam Barlow (Her Story) als „Desktop Thriller“ bezeichnete, interaktive Geschichte von Telling Lies. Die Spielenden versuchen darin Schritt für Schritt und Video für Video die Geschehnisse der vergangenen zwei Jahre im Leben des FBI-Agenten David Smith zu entschlüsseln. Doch das gestaltet sich als schwieriger als man zunächst annehmen mag.

Wie bereits in Her Story sind die einzelnen Videosequenzen nicht chronologisch sortiert und können nur über gut gewählte Suchbegriffe gefunden werden. Erschwerend kommt bei Telling Lies hinzu, dass es sich bei einem Großteil der Aufnahmen um Videotelefonate handelt, in denen man zunächst nur eine Seite des Gesprächs hören und sehen kann. Durch das Sammeln von Hinweisen und geschicktes Schlussfolgern kann man sich dann mit neuen Suchbegriffen auf die Jagd nach dem passenden Gegenstück des Gesprächs machen, um herauszufinden, zwischen welchen Personen die Unterhaltung stattgefunden hat und wie die andere Seite reagiert und gehandelt hat.

Während man sich durch die über 170 Videoclips zu klicken beginnt und versucht, die ineinander verwobenen Erzählstränge der vier Hauptpersonen zu ordnen und in Verbindung zu bringen, ergründet man zwischen Intrigen, Untreue, Lügen und Manipulation immer weiter die wahren Absichten und Intentionen der einzelnen Charaktere. Schon bald stellt sich die Frage, wem man noch glauben kann und mit jeder verstreichenden Minute schleicht sich beim Betrachten intimer Mitschnitte aus dem Leben fremder Personen ein stetig wachsendes Unwohlsein ein. Doch wie weit darf man gehen und die Privatsphäre anderer Menschen missachten, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen?

Didaktischer Kommentar

Telling Lies erzählt eine sehr komplexe Geschichte, die sich sehr gut für den englischsprachigen Literaturunterricht der Oberstufe eignet. Die Aufnahmen sind ausschließlich in englischer Sprachausgabe (mit Untertiteln) vorhanden und das Spiel stellt sowohl eine Herausforderung bezüglich Sprache und Inhalt als auch auf der Ebene des handlungslogischen Verstehens.

Wie bereits schon bei Her Story, handelt es sich bei Telling Lies viel mehr um eine interaktive Geschichte als um ein Spiel im herkömmlichen Sinne. Dementsprechend steht vor allem der Nachvollzug der narrativen Handlungslogik im Mittelpunkt. Der Aufbruch einer chronologischen Reihenfolge der Geschehnisse, sowie das Trennen von zusammengehörigen Gesprächsperspektiven fordern Lernende dazu auf, sinnzusammenhängende Verknüpfungen zu schaffen und das Gesehene in einer mentalen, linearen Struktur einzuordnen. Die zwei Seiten eines Gesprächs stets nur getrennt zu finden, sorgt für noch größere Leerstellen im Ablauf der Geschichte als es bereits beim Vorgängerspiel Her Story der Fall war und eignet sich daher insbesondere als Erzählung für verstehensstarke Schüler*innen. Doch je weiter man sich in die Geschichte rund um David einarbeitet und ein Puzzleteil nach dem anderen in das große Bild einsetzt, das das Leben des FBI-Agenten darstellt, desto mehr zieht einen das Spiel in seinen Bann. Angetrieben von einer stetig wachsenden Neugier, motiviert es die Spielenden immer weiter zu suchen, um endlich den Suchbegriff zu finden, der einen zu dem Video mit den ersehnten Antworten auf seine Fragen bringt. Dabei können Hinweise nicht nur in dem gesprochenen Teil der Videos gefunden werden, sondern sich auch im Visuellen (wie beispielsweise in Form eines Namensschilds bei einer Sitzung) verstecken.

Ein weiterer wichtiger Aspekt literarischen Lernens steckt in der Perspektivübernahme und dem Figurenverstehen. Da es sich bei den Videosequenzen meist um Momentaufnahmen handelt, werden diese oft mehr von den Emotionen und Gefühlen der Figuren vorangetrieben als von der eigentlichen Geschichte. Es sind diese Momente, in denen man das Gefühl bekommt, die persönlichen Grenzen der Personen nicht länger einzuhalten und zu weit in die Privatsphären dieser einzudringen. Doch genau diese Einblicke in die emotionalen und intimen Momente ermöglichen es, die Figuren besser verstehen zu können und ihr Handeln in Zusammenhang zu ihren Gefühlen und Erfahrungen zu bringen. Das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen den Hauptpersonen bietet hier Potenzial zur Analyse und Diskussion von Figurenbeziehungen. Drei unterschiedliche Enden mit verschiedenen Ausblicken über den Verbleib der involvierten Personen geben zusätzlich eine spannende Grundlage für verschiedene Sichtweisen und Interpretationen der Geschichte in einem angeschlossenen literarischen Gespräch.

Neben den literarischen Elementen können mit dem Spiel auch sprachliche Aspekte betrachtet und gefördert werden. Während vom Spielenden, neben dem Eintragen der Suchbegriffe, keine eigene Produktion in schriftlicher oder mündlicher Form abverlangt wird, wird durch den Aufbau des Spiels ein Fokus auf das Hör- und Leseverstehen gelegt, der es ermöglicht, Sprachverstehen nonverbal durch das Fortschreiten im Spiel sichtbar zu machen.

Telling Lies präsentiert in etwa 7-10 Stunden Spielzeit einen sehr authentischen Ausschnitt aus dem Leben anderer Menschen. Gefüllt mit zahllosen Details, starken Emotionen und einem Konstrukt aus Lügen in vermeintlich privaten Gesprächen, wird man immer tiefer in eine Geschichte hineingezogen, die glaubhaft und realitätsnah erzählt wird. Genau deshalb eignet sich das Spiel auch sehr gut für einen Einsatz im schulischen Kontext.