- Jahr: 2022
- Entwickler: Read Graves
- Plattform: Windows
- Geeignet für: Ab Klasse 9
- Fachbezug: Philosophie, Ethik, Religion
Kurzzusammenfassung
Didaktischer Kommentar
Spielbesprechung im Video
Kurzzusammenfassung
„Eine führerlose Straßenbahn rollt die Strecke hinunter. Auf den Schienen befinden sich fünf bewegungsunfähige Personen. Du stehst neben einem Hebel und wenn du diesen Hebel ziehst, wird die Straßenbahn auf eine andere Strecke umgeleitet. Du bemerkst jedoch, dass sich auch eine Person auf der anderen Strecke befindet. Was wirst du tun?“
Das auf die amerikanische Philosophin Philippa Foot zurückgehende Trolley Problem ist nicht nur namensgebend für das Spiel Trolley Problem, Inc., sondern auch das erste Dilemma, mit dem sich die Spielenden konfrontiert sehen. In weniger als einer Minute müssen sich die Spieler*innen entscheiden: Nichts unternehmen und die Straßenbahn auf die fünf Personen zurollen lassen oder den Hebel umlegen und die Straßenbahn auf ein Nebengleis, auf dem sich nur eine Person befindet, umleiten.
Das klassische Trolley Problem ist dabei nur das erste aus einer langen Reihe moralischer Dilemmata, mit denen das Spiel die Spieler*innen konfrontiert. Die Kampagne ordnet die Entscheidungssituationen in eine Rahmenerzählung ein, bei dem die Spielenden als Mitarbeiter*innen von Trolley Problem, Inc. und weiteren Firmen immer weiter die Karriereleiter hinaufklettern. Dabei geht es schnell nicht mehr um Straßenbahnen, sondern auch um Entscheidungen im Gesundheitssystem, bei der Entwicklung selbstfahrender Autos, bei der Softwareentwicklung etc.
Während der Entscheidungsfindung werden die Spielenden immer wieder mit Einwürfen der Erzählerin konfrontiert, die weitere Aspekte zu bedenken gibt oder provokante Nachfragen stellt.
Nach den Entscheidungen werden die Spielenden mit den Konsequenzen ihres Handelns (oder Unterlassens) konfrontiert, neben einer Liste, die darüber Auskunft gibt, wie viele Menschen man bereits auf dem Gewissen hat, gibt es auch eine Übersicht darüber, wie viel Prozent der anderen Spielenden genauso oder anders entschieden haben. Darüber hinaus bietet das Spiel eine Leseliste, die zu jeder Entscheidungssituation die entsprechende Quelle in der Literatur angibt.
Didaktischer Kommentar
Während moralische Dilemmata in Spielen wie Papers, Please, This War of Mine oder Life Is Strange als Teil einer Geschichte narrativ eingebettet werden, sind sie in Trolley Problem, Inc. einziger Spielinhalt; die rasche Konfrontation mit verschiedenen Dilemmata ist hier bestimmend. Dies hat für den Unterricht in den wertebildenden Fächern sowohl Vor- als auch Nachteile:
Sowohl im Einzelspieler- als auch im Coop-Modus (mit zwei Spieler*innen) ist die Zeit begrenzt; im Coop-Modus steht den Spielenden jedoch ein wenig mehr Zeit zur Verfügung als im Einzelspielermodus. Die Entscheidungen werden dennoch in beiden Modi unter Zeitdruck gefällt, sodass eine intensive Auseinandersetzung mit der gegebenen Situation vor der Entscheidungsfindung kaum möglich ist. Intensive Reflexionsprozesse sind also notwendig auf die Zeit nach der Entscheidung verlagert. Dieses Spielelement drückt zum einen die Dringlichkeit der Entscheidungsfindung aus, kann aber, gerade im Coop-Modus, zu Frustration führen, wenn nicht genug Zeit war, eine Entscheidung gemeinsam zu fällen. Notwendig für eine gelungene Einbettung in den Unterricht ist daher auch die gemeinsame Reflexion in Arbeitsphasen nach oder vor dem Spielen, da im Spiel selbst kaum genügend Zeit bleibt und die dargestellten Geschichten eine gründliche Verarbeitung verlangen.
Die schnelle Verkettung unterschiedlicher moralischer Dilemmata aus einem großen Repertoire moralphilosophischer Literatur führt gleichzeitig zu einer im Spiel eher oberflächlichen Betrachtung; wurde eben noch über das Leben von Krankenhauspatienten entschieden, geht es anschließend um selbstfahrende Autos und wenige Minuten später um Softwareentwicklung. Dabei ist nicht jedes der im Spiel präsentierten Dilemmata genuin moralischer Natur. So gibt es auch das eine oder andere Handlungsdilemma, das zwar schwere Entscheidungen ins Zentrum stellt, dabei aber nicht zwingend auf moralische Überlegungen rekurriert.
Von Vorteil für den Unterricht ist die ausführliche und jederzeit aufrufbare Leseliste: So begnügt sich das Spiel nicht damit, die Entscheidungssituationen einfach zu präsentieren, sondern gibt den Spielenden auch spielextern die Gelegenheit zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden Fragestellungen.
Aufgrund der Vielzahl angesprochener Bereiche eignet sich das Spiel dabei auch für verschiedene Unterrichtsthemen, so können etwa utilitaristische und deontologische Theorien gegenübergestellt werden oder Fragen des Verbraucherschutzes und vieler Bereichsethiken thematisiert werden,
Die moralischen Dilemmata müssen dabei nicht in der vorgesehenen Reihenfolge gespielt werden, stattdessen besteht für den Unterricht die Möglichkeit, das Spiel entweder in seiner Gesamtheit durchzuspielen und anschließend übergreifende Aspekte zu diskutieren oder aber einzelne Dilemmata herauszugreifen und das Spiel in gewisser Weise als Fundus für teilweise bekannte, aber auch viele unbekannte Dilemmata zu nutzen.
Spielbesprechung im Video